Szenario 6

Demonstratoren für unterschiedliche Teilszenarien in der ESB Logistik-Lernfabrik

Szenariopartner

ESB Logistik-Lernfabrik, nach Umzug im Herbst 2019 in ein neues Gebäude mit erweiterter Infrastruktur: Werk150 – ESB Business School, Hochschule Reutlingen

Inhalt

Im Zusammenhang mit dem Arbeitspaket 6 wurden in der ESB Logistik-Lernfabrik auf Basis der Ergebnisse aus den Arbeitspaketen der Verbundpartner Teilszenarien in Form von Demonstratoren umgesetzt und industriellen Partnern und Unternehmen in verschiedenen Veranstaltungsformaten praktisch vorgestellt. Diese umfassten u.a. die Prozesse der Set-Bildung, Kommissionierung, Einlagerung, Auslagerung sowie der Materialflussgestaltung und Materialbereitstellung. In Bezug auf mögliche Automatisierungsstufen wurden manuelle, teilautomatisierte im Sinne der Mensch‐Maschine‐Kollaboration und vollautomatisierte Demonstratoren realisiert.

Ein besonderer Fokus bei den Demonstratoren wurde auf die Aspekte der Flexibilisierung der Intralogistik gelegt (siehe ZAFHI_06 “Automation of intralogistic processes through flexibilisation”).

Demonstrator: Set-Bildung und kollaborative Kommissionierung

Dieser Demonstrator beinhaltet die kollaborative Set-Bildung und Kommissionierung von variantenspezifischen Bauteil-Sets unter Nutzung eines kollaborativen Roboters (Universal Robots UR10) sowie eines Tablet-PCs und Pick-by-Light Systems der Firma WIBOND. Die zu kommissionierenden Bauteile wurden hinsichtlich der Greifbarkeit durch den Roboter mit einem Elektroparallelgreifer oder Menschen analysiert und für eine gleichmäßige zeitliche Auslastung entweder dem Menschen oder dem Roboter zur Ausführung zugewiesen.  Mensch und Roboter stehen sich am Arbeitsplatz gegenüber, um die Arbeitsräume von Mensch und Roboter effektiv für die Bauteilaufnahme nutzen zu können und gleichzeitig den Überlappungsbereich der beiden Arbeitsräume (Kollaborationsbereich) im Bereich der Abgabepositionen der Bauteile aus Sicherheitsgründen zu begrenzen. Die ausführenden Kommissionieraufträge werden dem Mitarbeiter mit den jeweiligen Fertigungsaufträgen auf dem Endgerät des informatorischen Assistenzsystems angezeigt und können durch diesen gestartet werden. Mit dem Starten des Kommissionierauftrags werden an den Roboter die entsprechenden (vorprogrammierten) Befehle zur Aufnahme und Abgabe der erforderlichen Bauteile übermittelt, während dem Mitarbeiter parallel seine auszuführenden Kommissioniervorgänge durch Pick-by-Light Anzeigen an den entsprechen Behälterpositionen angezeigt werden. So können Kommissionieraufträge von Mensch und Roboter durch eine gleichzeitige Abarbeitung der auszuführenden Prozesse zur Zusammenstellung der Bauteil-Sets ausgeführt werden und nahezu eine Halbierung der erforderlichen Prozesszeit erreicht werden.

Teilszenario: Materialflussgestaltung

Für die Simulation alternativer Materialfluss-Szenarien zur Optimierung der intralogistischen Prozesse des Produktionssystems der ESB Logistik-Lernfabrik wurden die entsprechenden Tools der cloudbasierten 3DEXPERIENCE Plattform von Dassault Systèmes eingesetzt. So wurden z.B. unterschiedliche Gestaltungsalternativen für die Materialbereitstellung (manuell, semi-/voll-automatisiert, statisch/dynamisch) zur Versorgung der Montage für verschiedene Auftragsszenarien hinsichtlich deren Leistung (Durchlaufzeit) miteinander verglichen und diese Erkenntnisse in die Ausgestaltung der weiteren Demonstratoren in der ESB Logistik-Lernfabrik überführt.

Demonstratoren: Einlagerung/Lagerung

Intelligenter Behälter: Zur Demonstration möglicher Optimierungen zur Flexibilisierung der Intralogistik wurde ein intelligenter Behälter in Zusammenarbeit mit dem Forschungsmaster DIME entwickelt und implementiert. Funktionen umfassen u.a. ein automatisiertes Behälterfüllstandsmonitoring, Zustandsüberwachung (Erschütterung, Temperatur,…), Nachschubauslösung und indoorlokalisationsbasiertes Behältertracking. Der intelligente Behälter ermöglicht ein kontinuierliches Monitoring der Materialbestände und Materialtransporte im Produktionssystem und kann so zur Steigerung der Flexibilität im intralogistischen System beitragen.

Informatorische Assistenzsysteme: Für eine Demonstration der Potentiale von informatorischen Assistenzsysteme wurde unter Verwendung der Pick-by-Light Technologie als visuelle Assistenz für den Werker für den Einsatz in  der kollaborativen Kommissionierung (siehe oben) ein Demonstrator errichtet. Durch die intuitive Führung des Werkers durch den Pickingprozess über Pick-by-Light Anzeigen mit Leuchtringen und Displays zur Anzeige der Entnahmemenge an den entsprechenden Behälterpositionen am Regal kann die Pickleistung im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren (z.B. Picklisten) stark gesteigert und gleichzeitig Fehler vermieden werden. Zusätzlich liefert der Einsatz dieser Technologie in der Intralogistik durch Integration in die Systemlandschaft bei kurzzyklischen Veränderungen des Auftragsumfangs einen Beitrag zur Steigerung der Flexibilität.

Demonstrator: Materialbereitstellung

Manuell: Zur manuellen Materialbereitstellung wurde ein Demonstrator unter Nutzung eines Kommissionierwagens für den Behältertransport und ein Smart Device zur Informationsbereitstellung und Prozessrückmeldung realisiert. Der Logistikmitarbeiter erhält so die relevanten Informationen (Artikelnummer, Artikelbezeichnung, Menge, Materialquelle, -senke…) zur Ausführung der Materialbereitstellung und meldet die Fertigstellung automatisiert an die entsprechenden IT-Systeme zurück.

Hybrid: Im Bereich der hybriden, kollaborativen Materialbereitstellung wurden Teilszenarien unter Einbeziehung verschiedener semi-automatisierter bzw. kollaborativer Transportsysteme in der ESB Logistik-Lernfabrik realisiert.
Der im Forschungsprojekt „Kollaborativer Routenzug 4.0 (KollRo 4.0, 2016-2019, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung)“ entwickelte kollaborative Routenzug ermöglicht durch sein frei-navigierendes und mit einem kollaborativen Roboter ausgestattetes Zugfahrzeug eine automatisierte bzw. kollaborative Bereitstellung von Kleinladungsträgern im Produktionssystem. Das Routenzugfahrzeug ist ebenso in der Lage sich automatisiert von seinen Anhängern abzukoppeln um z.B. Material aus einer der hinteren Anhänger zu entnehmen und an einer Arbeitsstation bereitzustellen. Das realisierte Teilszenario demonstrierte die Potentiale der Mensch-Roboter-Kollaboration und der Nutzung dynamischer Routen und Fahrpläne im Zusammenhang mit veränderlichen Produktionsprogrammen mit kleinen Lösgrößen in der Materialbereitstellung.
Des Weiteren wurde der kollaborative Roboter Kuka iiwa durch eine frei-navigierende Roboterplattform für wechselnde Aufgabenstellungen bzw. “Dienstleistungen” im Sinne der Servicerobotik, wie z.B. Ersatzteilbereitstellung, Materialbereitstellung, Kommissionierung, Instandhaltungs‐/ Reparaturdienstleistungen, an veränderlichen Orten in der Fabrik automatisiert mobil gemacht. Dadurch konnte eine Flexibilisierung der intralogistischen Materialflüsse in den Flexibilitätsdimensionen der Durchsatz-, Layout- und Produktflexibilität erzielt und demonstriert werden.

Automatisiert: Für die Demonstration einer vollautomatisierten Materialbereitstellung wurden verschiedene fahrerlose Transportsystem (FTS) in logistische (Teil-)Szenarien integriert. Eines der vollautomatisierten Materialbereitstellungsszenarien umfasste ein spurgeführtes FTS mit einem Regalaufbau, welcher mit einem Shooter-Mechanismus zur Aufnahme und Abgabe von Eurobehältern ausgestattet war und die Materialbereitstellung der kollaborativen Kommissionierstation (siehe oben) übernahm. Die Auslösung der Materialnachlieferung erfolgte über ein 2-Behälter-Kanban-System an der Kommissionierstation. Zur Nachlieferung der erforderlichen Behälter fuhr das FTS automatisiert ein im Lager befindliches Durchlaufregal mit Rollenbahnen und Shooter-Vorrichtungen an der Materialabgabeseite an, wodurch die entsprechenden Behälter durch Auslösung des Shooters schwerkraftgetrieben auf den mit Rollenbahnen ausgestatteten Regalaufbau des Fahrzeugs rollten. An der Kommissionierstation angekommen erfolgte der „Leerbehälter-Vollbehälter-Tausch“ durch Abgabe der vollen Behälter über die oberen Regalebenen des Regalaufbaus und Aufnahme der Leerbehälter durch entgegengesetzt verlaufende Rollenbahnen in den unteren Regalebenen des FTS. Durch diesen Demonstrator konnten so die Potentiale einer vollautomatisierten Materialbereitstellung und Nutzung von Low-Cost-Automation über den Shooterregalaufbau demonstriert werden.

Ergebnis

In der ESB Logistik‐Lernfabrik wurden mehrere Kaminabende mit industriellen Teilnehmern sowie Demonstrationsveranstaltungen mit Experten aus Bildung, Forschung und Industrie zur Demonstration und Ermittlung von industriellem Feedback zu den Teilszenarien durchgeführt. Die vorstellten Demonstratoren trafen bei den Experten auf eine positive Resonanz aufgrund der nach eigenen Angaben steigenden Leistungs- und Flexibilitätsanforderungen an die Intralogistik. Der Anspruch an eine vereinfachte Programmierung von Robotersystemen für veränderliche Aufgabenstellungen konnte als eine zentrale Forderung aus der Industrie zur Senkung der Barrieren für den Einsatz von kollaborativen Robotern in der Logistik identifiziert werden. Diese im Vergleich zu konventionellen Robotern vereinfachte Programmierung ist erforderlich, um bei Veränderungen der logistischen Prozesse rasch und ohne ausgeprägtes Roboter‐Experten‐Wissen eine Umprogrammierung des Robotersystems durch die Mitarbeiter auf dem Shopfloor initiieren zu können. Basierend auf diesem identifizierten Bedarf wurde in Kooperation ein Ansatz zur Vereinfachung der Programmierung  für Nicht-Roboterexperten wie Logistik- und Produktionsmitarbeiter für den in der Industrie häufig anzutreffenden Kuka Iiwa entwickelt (Veröffentlichung).