Arbeitspaket 7

Flexible Intralogistik-Prozesse

Wissenschaftliche Leitung

Prof. Dr. Manfred Reichert

Wissenschaftliche Mitarbeiter

Kevin Andrews, M.Sc.
Sebastian Steinau, M.Sc.

Hintergrund – Flexibles Prozessmanagement

In den meisten Wirtschaftsunternehmen sind die Geschäftsprozesse oftmals nur implizit durch die vorhandenen Strukturen, die Produktionsmittel, die einzeln verteilten Aufgabenbeschreibungen und die verwendete Unternehmenssoftware gegeben. Ein Ziel des Geschäftsprozessmanagements ist es, Geschäftsprozesse in ihrer Gänze zu erfassen, zu dokumentieren und schließlich zu optimieren, um so einen effizienten und wirtschaftlicheren Ablauf zu ermöglichen.

Aktivitätenzentriertes Prozessmodell in der BPMN Modellierungssprache

Für diesen Zweck werden detaillierte Ablaufpläne der ganzheitlichen Geschäftsprozesse in spezialisierten Modellierungsnotationen, allgemein als Prozessmodelle bezeichnet, erstellt. Dabei rücken die Aktivitäten bei der Beschreibung der Prozesse in den Vordergrund und werden mit einer Ablaufordnung versehen, was als „aktivitätenzentriertes Modellparadigma“ bezeichnet wird. Weiterhin spielen prozessorientierte Informationssysteme (eng. process-aware information systems, PAIS) eine zentrale Rolle. Ein Informationssystem, welches den zugrundeliegenden Prozess „versteht“, zeichnet sich oftmal durch hohe Flexibilität und Anpassparkeit im Gegensatz zu herkömmlichen, nicht prozessorientierten Informationssystemen aus. Weiterhin können durch sogenannten Prozessengines die Prozessmodelle auch direkt zur Ausführung gebracht werden, was bedeutet, dass vorher implizite Geschäftsprozesse jetzt durch ein PAIS mit Prozessengine und das zugrundeliegenden Prozessmodellen für alle transparent und explizit gesteuert ablaufen können. Dies birgt enorme Vorteile für Effizienz und ermöglich auch eine Voll- bzw. Teilautomatisierung der Geschäftsprozesse.
PAIS waren für lange Zeit nur für sehr stark strukturierte, repetitive Geschäftsprozesse aufgrund von technischen Limitierungen geeignet, beispielsweise für Prozesse von Produktionsstraßen. Mit den Arbeiten in den ADEPT-Projekten konnten jedoch enorme Fortschritte bei der Flexibilisierung der Prozessmodelle und der damit verbundenen PAIS erzielt werden. Durch Schemaevolution oder Ad-hoc Änderungen an laufenden Prozessausführungen sowie einer umfassenden Korrektheitskontrolle der Modelle wurde es erstmals möglich, auch unstrukturierte Prozesse, wie sie beispielsweise in Krankenhäusern zu finden sind, richtig zu erfassen und softwaretechnisch durch PAIS zu unterstützen. Insbesondere die Flexibilität bei der Prozessunterstützung innerhalb des aktivitätenzentrierten Paradigmas konnte durch die ADEPT Projekte enorm gesteigert werden.
Konzipiert für die nächste Generation von PAIS forscht das Institut für Datenbanken und Informationssysteme auch an datenzentrierten Prozessmodellen. Durch den Fokus auf Daten als zentralen Modellierungsbaustein anstatt der Aktivitäten lassen sich weitere Arten von Geschäftsprozessen erstmals adäquat beschreiben. Zusätzlich bietet die datenzentrierte Modellierung einen noch größeren Gewinn an Flexibilität. Im Rahmen des Forschungsprojekts zu datenzentrierten Prozessen wurde ein umfangreicher Prototyp eines datenzentrierten PAIS mit Namen „PHILharmonicFlows“ geschaffen.

Ansatz – Flexible Intralogistikprozesse

Moderne Anforderungen an die Intralogistik eines Unternehmens betreffen selbstverständlich auch die an der Intralogistik beteiligten Prozesse. Kürzere Produktzyklen, Same-day Delivery, sowie der allgemeine Kosten- und Leistungsdruck erfordern die Einführung innovativer Konzepten in der Intralogistik zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, wie den Einsatz von Servicerobotik zur Bearbeitung von Kommissionier- und Transportaufgaben.

Die Prozesse und Informationssysteme müssen sich demzufolge diesen Entwicklungen mit anpassen:
Insbesondere die Zusammenführung von Servicerobotik-Systemen und prozessorientierten Informationssystemen stellt mannigfaltige Herausforderungen, angefangen bei der einfachen Steuerung eines Roboters durch einen übergeordneten Prozess bis hin zu flexiblem und wirtschaftlichem Einsatz von individuellen Prozessvarianten verbunden mit intelligentem Scheduling.

Die Intralogistikprozessmodelle müssen hierbei mit den „Dimensionen der Flexibilisierung“ zurechtkommen.

Beispielsweise existieren mehrer Formen der Heterogenität, die berücksichtigt werden müssen. Insbesondere in KMUs sind Lager oftmals eher organisch über die Zeit gewachsen als strikt nach einem anfangs festgelegten Design entstanden. Dadurch kann es enorme Unterschiede in Regalarten, Fördersystemen, Software, Lagerverwaltungsprozessen innerhalb eines einzelnen Lagers geben. Prozesse und somit auch die prozessunterstützenden PAIS müssen mit dieser Heterogeneität zurechtkommen und diese in einem System robust und flexibel abbbilden können. Genauso müssen Intralogistikprozesse mit Heterogenität bei den behandelten Gütern umgehen können.

Weiterhin müssen Prozesse an eine wachsende oder schrumpfende Lagergröße flexibel anpassbar sein, sowie notwendig Veränderungen im Lageraufbau mit tragen können. Skalierbarkeit der Prozesse, insbesondere auch dynamisch über kürzere Zeiträume, stellt hier eine wichtige Anforderung dar.

Nicht zuletzt müssen nicht nur die Prozesse auch selbst anpassbar sein, um unterschiedliche Anforderungen abbilden zu können. Konzepte wie Ad-hoc Änderungen zur Laufzeit, Prozessvarianten, und Schemaevolutionen erlauben eine bisher unerreichte Unterstützung von felxiblen Logistikprozessen.

Beitrag

Die Universität Ulm entwickelt im ZAFH „Intralogistik“ die datenzentrierte Modellierungssprache sowie die Flexibilitätskonzepte der Prozesse, damit die vorher genannten Anforderungen umsetzbar sind. Die Prozesse lassen sich auf einem eigens entwickelten PAIS „PHILharmonicFlows“ mit Prozessengine modellieren und ausführen. Weiterhin wird in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Servicerobotik der Technische Hochschule Ulm die Zusammenarbeit von „PHILharmonicFlows“ mit der Servicerobotik vorangetrieben, so dass Prozesse automatisiert mit Robotern ausgeführt werden können.

PHILharmonicFlows Modeling Tool mit Prozessmodell

Aktuelle Ergebnisse

PHILharmonicFlows ist soweit entwickelt, dass erste prototypische Szenarien abgebildet werden können. Die Flexibilitätskonzepte wie Schemaevolution und Ad-hoc Änderungen kommen hierbei bereits zum Einsatz. Eine erste Anbindung von PHILharmonicFlows an die Servicerobotik wurde erfolgreich getestet.